Der deutsch-französische Wirtschaftsraum – auf dem Weg zu einem Europäischen Wirtschaftsgesetzbuch. Saarbrücker Erklärung vom 21. Dezember 2018

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Saarbrücker Erklärung

Das Saarland, historisch gesehen Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich und seit dem zweiten Weltkrieg Bindeglied zwischen den beiden Staaten, fördert die europäische Integration und die Vertiefung der deutsch-französischen Beziehungen. Die saarländische Landesregierung hat daher entschieden, sich dem Projekt des Europäischen Wirtschaftsgesetzbuches zu verschreiben; ein Projekt, mit der deutsch-französische Motor das Wirtschaftsrecht in den Mittelpunkt der europäischen Integration stellt. Roland Theis, Staatssekretär und Bevollmächtigter für Europaangelegenheiten, erinnerte daran, dass das Saarland das erste Bundesland war, das die Förderung der europäischen Einigung in seine Landesverfassung aufgenommen hat.

Auf der Konferenz anlässlich des saarländischen Verfassungstages, die am 21. Dezember 2018 in Saarbrücken stattfand, diskutierten auf Initiative von Peter Strobel, Justizminister des Saarlandes, Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft das Für und Wider eines Europäischen Wirtschaftsgesetzbuches zur Förderung von Handel,Investitionen und der Konvergenz innerhalb der Eurozone. Tobias Hans, Ministerpräsident des Saarlandes, François Villeroy de Galhau, Gouverneur de Banque de France, und Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, sprachen dem Anliegen ihre Unterstützung aus und skizzierten Herausforderungen und Perspektiven des deutsch-französischen Projektes.

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François Villeroy de Galhau

Tobias Hans und Renaud Dutreil, Präsident der Stiftung für Kontinentalrecht, erläuterten den wirtschaftlichen und rechtlichen Status quo: ein Binnenmarkt, der durch große Komplexität und Heterogenität der nationalen Wirtschaftsrechtsordnungen gekennzeichnet ist eine Situation, die die Handlungsfähigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, insbesondere Start-ups, die auf dem europäischen Binnenmarkt tätig sind, beeinträchtigt.

Während die Vereinigten Staaten ihren Wirtschaftsraum 1952 mithilfe eines Uniform Commercial Code (UCC) konsolidierten und Westafrika mit OHADA über ein gemeinsames Wirtschaftsrecht verfügt, kämpft Europa weiterhin um Fortschritte beim Abbau von Handelshemmnissen. Wie François Villeroy de Galhau betonte, würde die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsgesetzbuches nach dem Gemeinsamen Markt, der gemeinsamen Währung und der Kapitalmarktunion einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigen und geeinten Europa bedeuten. Der Gouverneur de Banque de France begrüßte nachdrücklich “die aktuelle Dynamik aus vielen Teilen der Zivilgesellschaft heraus für eine Wirtschaftsrechtskodifikation”.

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Peter Altmaier

Wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier betont, müssen zunächst die konkreten Hindernisse identifiziert werden, die Unternehmen heute daran hindern, sich auf europäischer Ebene zu entfalten. Das macht dieses Projekt zu einem “bottom-up”-Projekt. Ebenso ist es essentiell, dass die deutsche und französische Regierung das Projekt auf ihre Agenda setzen.

Der deutsche Wirtschaftsminister dankte für die Gelegenheit, ein konkretes Projekt für die Zukunft Europas zu diskutieren, das positive Auswirkungen auf die Bürger habe. Schon zu lange dreht sich die europäische Debatte um mühselige und schmerzhafte Themen wie die Eurorettung oder den Brexit. Der Bundesminister unterstützt eine offene Diskussion und fordert gleichsam dazu auf, das richtige Gleichgewicht zwischen Integration und Subsidiaritätsprinzip, zwischen Rechtsharmonisierung durch Richtlinie und Vereinheitlichung durch ein Wirtschaftsgesetzbuch zu finden.

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Philippe Dupichot

Es debattierten Christophe Arend (LREM), Präsident der Deutsch-Französischen Arbeitsgruppe zur Erarbeitung des Élysée-Vertrages in der Nationalversammlung, Rüdiger Kruse (CDU), MdB und Präsident des “Vereins für die Vereinheitlichung des Wirtschaftsrechts in Europa”. Der Abgeordnete Kruse wies darauf hin, dass die Geschichte uns zeigt, dass eine Kodifikation im Wirtschaftsrecht einer politischen Einheit vorangehen kann, so wie beispielsweise das Reichshandelsgesetzbuch von 1861 der Reichseinigung von 1871 vorherging.

Daniel Hager, CEO der Hager Group, und Olivier Groll, Geschäftsführer der IHK Saarland, beleuchteten das Projekt aus dem Blickwinkel des Unternehmers. Sie betonten die herausragende Bedeutung der Initiative für die Zukunft der europäischen Unternehmen und für die Zukunft der EU als Staatenverbund. Die Initiative ist in wirtschaftlicher Hinsicht notwendig, da der Eurozone ein gemeinsames Wirtschaftsrecht fehlt, ein Konvergenzfaktor auf Unternehmensebene; die Initiative ist auch in politischer Hinsicht notwendig, denn Brexit und der Erfolg der euroskeptischen Parteien erfordern, dass die Mitgliedstaaten mutig mit neuen Ideen voranschreiten; die Initiative ist ebenso in rechtlicher Hinsicht notwendig, da ein gemeinsames Wirtschaftsrecht Bedingung für einen gemeinsamen Binnenmarkt ist.

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Rüdiger Kruse

Angesichts dieser Situation hat sich eine Gruppe von renommierten Anwälten und Professoren dazu entschieden, ein Europäisches Wirtschaftsgesetzbuch auszuarbeiten, das der Kodifikatiostradition der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten entspricht. Europa braucht neue Symbole: ein Wirtschaftsgesetzbuch, das die wirtschaftlichen Freiheiten festlegt, und das Recht dem Bürger zugänglicher zu macht.

Die Expertengruppe der Association Henri Capitant, die in Zusammenarbeit mit der Stiftung für Kontinentalrecht und mit Unterstützung vieler europäischer Think Tanks, insbesondere der renommierten Robert-Schuman-Stiftung und Europonava, operiert, schlägt vor, den Besitzstand des europäischen Wirtschaftsrechts in ein Wirtschaftsgesetzbuch zu gießen und den Rechtsstoff innerhalb dieses Gesetzbuches in mehrere Bücher zu teilen.

Zum Ende des Forums veröffentlichten die Parteien eine Erklärung, und die französische Regierung dazu aufgefordert wurden, das Europäische Wirtschaftsgesetzbuch auf ihre politische Agenda zu setzen und eine Kodifikation im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit auf europäischer Ebene anzuregen. Die Saarbrücker Erklärung ist ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur europäischen Rechtsgemeinschaft. Sie tritt während eines kritischen Momentes in der europäischen Geschichte auf den Plan, und steht im Einklang mit der Vision der Gründerväter des europäischen Projekts und des ersten Präsidenten der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Walter Hallstein.

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